Vietnam 2011 © Copyright 2017 Es ist Nachmittag und wir stehen am Rande eines größeren Dorfes an einer verstaubten Piste im Dschungel. Unsere zwölfköpfige  Fahrtenmannschaft hat sich in Zweiergruppen aufgeteilt um beim Trampen schneller voranzukommen. Treffpunkt ist ein kleines Dorf, dass  an einer stärker befahrenen Straße im Norden liegt, aus unserer Richtung ohne Umwege jedoch nur über einen unscheinbaren Weg quer  durch den Wald erreichbar ist – Entfernung etwa 50km Luftlinie. Als eine Müllabfuhr anhält, klettern der Jüngste der Mannschaft und ich  zu den beiden Fahrern hinauf. Mit Händen und Füßen erklären wir ihnen im Laufe der Fahrt, wohin wir wollen. Sie verstehen, erklären uns  aber, dass die Straße, die wir nehmen möchten, Militärsperrgebiet sei und bringen uns zur Abzweigung einer anderen Straße, die über  einen Umweg diese Straße kreuzen wird. Plötzlich sind wir zwei alleine inmitten von Reisfeldern und Dschungel, die anderen werden wir  heute wohl nicht mehr sehen. Wir gehen einige Stunden und es wird dämmrig. Man sagt uns, in den kleinen Ort seien es noch zwei  Kilometer. Fünf Kilometer weiter im nächsten Dorf sagt man uns das gleiche. Mittlerweile ist es stockdunkel, Straßenbeleuchtung gibt es  nicht, von einer Straße in unserem Verständnis kann auch keine Rede sein. Die Laute und das Knacken in der Dunkelheit neben uns  werden vom Prasseln des einsetzenden Monsuns abgelöst, in kurzer Zeit sind wir trotz Ponchos waschelnass. Nachdem das Bellen der  Hunde nach der nächsten Siedlung verklungen ist, erkennen wir etwa 50m vor uns im Dunkel des Waldes ein Licht und gehen darauf zu.  Es ist eine aus Stein gebaute kleine Villa. Es muss also ein behördliches Gebäude sein, da die meisten Menschen dieser Gegend in  selbstgebauten Bambushütten leben und sich sonst wenige so ein Gebäude leisten können. Wir stellen uns unter das Vordach um den  Regen abzuwarten, als plötzlich Männer mit Taschenlampen aus dem Inneren kommen. Sie besprechen sich kurz, dann verschwindet einer  wieder im Haus und die anderen fordern mich auf, mitzukommen. Sie führen mich in ein Zimmer in dem eine Pritsche und ein Telefon am  Boden stehen. Der Mann, der vorgegangen ist, reicht mir den Telefonhörer. Ich wisch mir das Wasser aus dem Gesicht und lausche. Am  anderen Ende meldet sich ein Vietnamese auf Englisch und erklärt mir in kurzen Worten, dass dieser Mann mir zeigen wird, wo wir uns  waschen können, wo wir schlafen werden und wo wir essen werden. Dann legt er auf. Ich gebe dem Mann den Hörer zurück und folge  ihm. Es gibt ein Bad ohne Licht und ein Zimmer mit einem größeren Bett. Dort sollen wir schlafen. Wir stellen unsere nassen Rucksäcke  hinein und gehen uns waschen. Als wir zurück kommen, warten die drei Männer im Telefon-Zimmer auf uns. Sie sitzen am Boden, in ihrer  Mitte steht auf einem kleinen Teppich ein großer Topf Reis und in Schalen herum etwas Fleisch, Seetang, Schnecken, Bambusstreifen und  andere Beilagen. Wir setzen uns zu ihnen und bekommen kleine Schalen und Stäbchen. Jetzt erkennen wir ihre Polizeiuniformen. Wir  essen mit diesen absolut unaufgeregten, gastfreundlichen Männern, als wären wir die Kollegen, auf die sie gewartet hätten. Sie sprechen  ganz normal mit uns und lachen, weil wir sie nicht verstehen. Einer bringt eine Flasche Sprite, die Augen des Jüngsten werden groß. In der  anderen Hand hält er aber kleine Stamperl und als er die erste Runde einschenkt, wissen wir, warum: es ist Reisschnaps. Der Jüngere  steigt um auf Wasser und geht - satt und müde - bald schlafen. Die Aussicht, heute in einem Bett mit Matratze zu schlafen, macht mich  auch müde. Der freundliche Mann schenkt mir aber wieder nach und ich möchte - sehr zu seiner Freude - nicht unhöflich sein. So sitzen  wir da, sie sprechen Vietnamesisch, ich spreche Deutsch und wir unterhalten uns sehr gut dabei. Keiner fragt mich nach meinem Pass,  woher wir kommen oder wohin wir wollen. Selbst wenn sie mich verstünden, glaube ich, hätte es sie nicht interessiert. Jetzt sind wir hier,  jetzt essen und trinken gemeinsam. Diese unaufdringliche Selbstverständlichkeit steht stark im Kontrast zur sonstigen hiesigen  Kommunikation, die oft mit den Wörtern „Hello“, „Money“ und „Good-bye“ und dem obligatorischen „Không tiền“ (Kein Geld) unsererseits  verlaufen. Nach einer geruhsamen Nacht wachen wir kurz nach Sonnenaufgang auf. Die Männer sind nicht mehr da, wir können uns nicht  verabschieden und bedanken, also tun wir das auf einem Zettel, den ihnen der Mann aus dem Telefon schon irgendwie übersetzen wird  können, wenn es sie interessiert. Die Straße führt weiter durch das dichte Buschwerk. Nach zwei Stunden überholt uns ein Moped, das  anhält. Ich mach mir mit dem jüngeren Burschen und dem Fahrer aus, dass wir uns im nächsten Dorf treffen und er fährt mit. Die meisten  Trampgelegenheiten ergeben sich hier mit Mopeds, die wendig auf den mit Schlaglöchern und manchmal mit Steinmuren blockierten  Pisten schnell vorrankommen. Der Nachteil ist, dass man immer alleine fährt. Bis zum Dorf kommt kein Moped mehr und ich gehe etwa  zehn Kilometer alleine weiter. Es ist früh und nach einer verregneten Nacht noch angenehm kühl. Kühe, die am Straßenrand stehen,  scheuchen eine Schlange auf, die sich schnell auf die andere Straßenseite flüchtet. Als ich an einem einzelnen Haus vorbeikomme, spricht  mich ein Mann aus dem Garten an. Er kann für hiesige Verhältnisse recht gut Englisch sprechen und scheint sehr erstaunt über mich zu  sein. Er fragt, was ich hier mache. Ich sage, ich gehe ins nächste Dorf. Er fragt mich, ob ich einen Unfall gehabt hätte. Ich frage ihn, wie  er das meine. Er fragt, wo denn mein Moped sei. Ich sage, ich habe keins. Er ist ganz aus dem Häuschen und ruft laut, warum ich denn  gehe, wenn ich doch auch fahren könne? Ich sage, weil es mir gefällt. Er lacht, schüttelt den Kopf und schaut mich verwundert an. Er will  noch etwas sagen, aber ihm fällt nichts mehr ein.  Als ich nach einiger Zeit endlich in dem Dorf angekommen bin, treffe ich den Jüngeren und der Ort entpuppt sich als das Dorf, an dem wir  uns alle wieder treffen wollen, aber außer uns ist keiner zu sehen. Die Straßenkreuzung liegt noch etwas weiter außerhalb und so  beschließen wir, dort hinzufahren. Es wird noch bis zum Abend des kommenden Tages dauern, bis auch die letzten beiden über teils 100km Umweg hierher finden und jeder  hat seine ganz eigene Geschichte darüber zu erzählen.  Gearhals Über unsere Fahrt ist ein einstündiger Fahrtenfilm entstanden, der Eindrücke und Erlebnisse der Fahrt wiedergibt und seine Premiere 2012  in unserem Nest in Wien hatte. Dabei haben wir uns in aller Ausführlichkeit dieser Reise gewidmet und Fotos und Lieder präsentiert, die  auf dieser unvergesslichen Reise entstanden sind.